Sport motiviert mich, immer wieder weiterzumachen und nie aufzugeben. Auch wenn es mal gesundheitliche Einschränkungen und Rückschläge gibt, kann man sich mit dem Sport wieder mehr Lebensqualität erarbeiten. Zudem unterstützt es meine positive Lebenseinstellung, die ich für ausschlaggebend für die Genesung erachte.

2003: Alles begann beim Handballtraining: ich verspürte plötzlich starke Bauchschmerzen, die ich nicht zuordnen konnte. Zum Glück erkannte meine damalige Kinderärztin schnell die Ursache: Meine Milz war stark vergrößert. Sie überwies mich umgehend in die Kinderklinik nach Karlsruhe. Nach mehreren Wochen voller Untersuchungen und Ungewissheit erhielt ich schließlich die Diagnose: ein Gendefekt, der zu zahlreichen Zysten in den Nieren und einer fibrotischen Leber geführt hatte. Zu diesem Zeitpunkt stand dann auch fest, dass die Funktion beider Organe bereits so stark eingeschränkt war, dass eine Transplantation die einzige Option für mich war. Ich war damals zwölf Jahre alt.
Da es zu dieser Zeit nur wenige Transplantationszentren in Deutschland gab, die auch Kinder lebertransplantierten, kam für uns nur das Klinikum der Medizinischen Hochschule Hannover infrage – rund 500 Kilometer entfernt von meinem Heimatort bei Karlsruhe. Dort angekommen, wurden alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt, und kurze Zeit später wurde ich auf die Warteliste für eine Spenderleber gesetzt. Danach hieß es: zurück nach Hause und warten.
Völlig unerwartet kam schon wenige Wochen später der erlösende Anruf – es war eine passende Leber gefunden worden! Aufgrund der Entfernung wurden meine Mutter und ich zum Flughafen gebracht und mit einem kleinen Flugzeug inklusive medizinischem Personal nach Hannover geflogen. Die Transplantation verlief komplikationslos. Allerdings zeigte sich schon bald, dass meine Nierenfunktion durch die Lebertransplantation stärker beeinträchtigt worden war, als erwartet. Weil eine Dialyse kurz nach einer Lebertransplantation möglichst vermieden werden sollte und die Wartezeiten auf eine neue Niere auch damals schon lang waren, entschloss sich meine Tante, mir eine ihrer Nieren zu spenden. Auch diese Operation verlief gut – meiner Tante geht es bis heute bestens.
Insgesamt verbrachte ich mit kurzen Unterbrechungen fast ein halbes Jahr in der Klinik in Hannover. Die Entfernung zu meiner Familie war dabei eine große Herausforderung. Mein Vater war ein Jahr zuvor verstorben, und meine Mutter musste sich allein um meine drei Geschwister kümmern. So konnte sie nicht immer bei mir sein. Zum Glück lebte meine Tante mit ihrer Familie in der Nähe der Klinik und besuchte mich regelmäßig. Auch wenn ich viele Situationen früh allein meistern musste, hat mich das im Rückblick stark gemacht: Ich lernte früh, Verantwortung für meine Gesundheit zu übernehmen. Ich wusste, welche Medikamente ich wann einnehmen musste, wie ich mich in Arztgesprächen verhalte und was mein Körper leisten kann oder nicht. Ich war dafür verantwortlich, dass es mir gut ging, und werde das auch mein restliches Leben bleiben.
Trotz der langen Krankenhauszeit habe ich viele schöne Erinnerungen an diese Phase meines Lebens – an liebevolle Pflegerinnen und Pfleger, die zu Vertrauenspersonen wurden, an andere Kinder auf der Station, mit denen wir Pizza bestellten und gemeinsam lachten, und an Ärztinnen und Ärzte, die stets ein offenes Ohr für mich hatten.
Nach der Transplantation konnte ich dann ein fast normales Leben führen. Ich musste ein Schuljahr wiederholen, was aber nur dazu führte, dass sich mein Freundeskreis erweiterte. Ich machte mein Abitur, reiste nach Australien und begann eine Ausbildung.
Doch 2014 verschlechterte sich meine Nierenfunktion erneut. Eine Biopsie ergab, dass einige der Medikamente, die ich über viele Jahre einnahm, die Niere langfristig geschädigt hatten. Mein körperlicher Zustand verschlechterte sich zunehmend. Ich lagerte Wasser ein, meine Blutwerte waren schlecht und meine Leistungsfähigkeit nahm deutlich ab.
2016 stand fest, dass erneut eine Nierentransplantation nötig war. Da sich an den Wartezeiten seit 2003 kaum etwas verändert hatte, erklärte sich diesmal meine Mutter bereit, mir eine ihrer Nieren zu spenden. Kurz vor der Transplantation war die Dialyse schließlich nicht mehr vermeidbar, und ich wurde noch für drei Monate dialysepflichtig. Dennoch konnte ich meine Ausbildung kurz vor der Transplantation noch erfolgreich abschließen.
Seitdem darf ich dreimal im Jahr besonders dankbar sein: Einmal feiere ich mit meiner Tante, einmal mit meiner Mutter – und einmal denke ich an den Menschen, der mir mit seiner Leber das Leben gerettet hat.
Durch die Transplantationen habe ich ein neues Leben geschenkt bekommen: Ich konnte studieren, reisen, arbeiten, Freundschaften pflegen und Zeit mit meiner Familie verbringen – all das wäre ohne die Organspenden nicht möglich gewesen. Schon während der Reha nach der zweiten Nierentransplantation 2016 konnte ich mit leichtem Krafttraining beginnen, was meine Regeneration deutlich förderte. Ein Jahr später war sogar wieder Schwimmen im öffentlichen Bad möglich.
Sport war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe seit den Minis bis zur C-Jugend Handball im Verein gespielt – auch nach meinen Transplantationen. Zudem war ich immer offen für andere Sportarten. Ich habe ein Jahr Tennis im Verein gespielt, war mehrere Jahre im Karate und zum Ende meines Abiturs im Geräteturnen aktiv. Im Zuge der Transplantation 2016 hatte ich entsprechend erhöhte Dosen an Cortison erhalten, was leider zu einer Hüftkopfnekrose führte. Aufgrund der beweglichen Einschränkungen in der Hüfte und den damit verbundenen Schmerzen beim Laufen hatte ich aber das Schwimmen für mich entdeckt!
Sport motiviert mich, immer wieder weiterzumachen und nie aufzugeben. Auch wenn es mal gesundheitliche Einschränkungen und Rückschläge gibt, kann man sich mit dem Sport wieder mehr Lebensqualität erarbeiten. Zudem unterstützt es meine positive Lebenseinstellung, die ich für ausschlaggebend für die Genesung erachte. Zudem gibt mir der Sport eine Möglichkeit, aktiv etwas für den positiven Transplantationsverlauf beizutragen. Das gibt mir wenigstens ein bisschen die Möglichkeit und das Gefühl ein Stück weit Kontrolle über meine gesundheitliche Situation zu gewinnen.
In meiner Jugend wollte ich möglichst viel Abstand zu dem Thema Transplantation und Krankheit gewinnen und ein „normales“ Leben führen. So hatte ich seit 2004 bis zu meiner zweiten Nierentransplantation 2016 keinerlei Kontakt zu anderen organtransplantierten Menschen. Das änderte sich aber durch die zweite Nierentransplantation, da ich viel für mich selbst verarbeiten konnte, was ich zuvor all die Jahre verdrängt hatte. Nun wollte ich andere mit ähnlichen Geschichten kennenlernen und bin aktiv auf die Suche gegangen. 2017 bin ich dann auf den Verein TransDia e.V. gestoßen. Ein Sportverein für Menschen an der Dialyse oder mit einer Organtransplantation. Dort nahm ich dann auch das erste Mal bei der Deutschen Meisterschaft im Schwimmen teil.
Im Jahr 2019 erhielt ich aufgrund der Hüftnekrose zwei künstliche Hüftgelenke, was mir neue sportliche Möglichkeiten eröffnete. Ich blieb dem Schwimmen treu und intensivierte mein Training. 2023 durfte ich schließlich mit dem Verein TransDia e.V. bei den World Transplant Games in Australien für Deutschland antreten – ein unvergessliches Erlebnis. Seitdem nehme ich regelmäßig an nationalen und internationalen Meisterschaften teil. Es ist einfach immer ein schönes Gefühl, mit so vielen Menschen vereint zu sein, mit denen man ein gemeinsames Schicksal teilt. Besonders bewegend war die Teilnahme an den Weltmeisterschaften der Organtransplantierten 2025 in Dresden, bei denen mich Familie und Freunde begleiteten – und ich mit meinem Team in der Schwimmstaffel die Bronzemedaille gewinnen durfte.
Als jemand, der selbst als Kind transplantiert wurde, weiß ich sehr gut, wie herausfordernd diese Zeit für junge Menschen und ihre Familien ist. Deshalb engagiere ich mich inzwischen auch beim Verein Kinderhilfe Organtransplantation (KiO). Die unkomplizierte Hilfe und die tollen Angebote haben mich begeistert – und wären auch für meine Familie damals eine große Unterstützung gewesen. Heute leite ich dort die Jugendgruppe KiO Youth – und freue mich, meine Erfahrungen weitergeben zu können.
Die Organspende hat mir bisher ein wirklich sehr erfülltes Leben geschenkt. All die Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Gesundheit ein Geschenk ist, für das ich jeden Tag dankbar bin. Ich möchte meine Geschichte nutzen, um anderen Mut zu machen und zugleich zu zeigen, wie wichtig Organspende ist und diese Bedeutung auch in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.