Robert – Sport ist meine Medizin

Sport motiviert mich, immer wieder weiterzumachen und nie aufzugeben. Auch wenn es mal gesundheitliche Einschränkungen und Rückschläge gibt, kann man sich mit dem Sport wieder mehr Lebensqualität erarbeiten. Zudem unterstützt es meine positive Lebenseinstellung, die ich für ausschlaggebend für die Genesung erachte.

junger lachender Mann mit Bart

2003: Alles begann beim Handball­training: ich verspürte plötzlich starke Bauch­schmerzen, die ich nicht zuordnen konnte. Zum Glück erkannte meine damalige Kinder­ärztin schnell die Ursache: Meine Milz war stark vergrößert. Sie überwies mich umgehend in die Kinder­klinik nach Karls­ruhe. Nach mehreren Wochen voller Unter­suchungen und Ungewissheit erhielt ich schließlich die Diagnose: ein Gen­defekt, der zu zahlreichen Zysten in den Nieren und einer fibrotischen Leber geführt hatte. Zu diesem Zeit­punkt stand dann auch fest, dass die Funktion beider Organe bereits so stark ein­geschränkt war, dass eine Transplantation die einzige Option für mich war. Ich war damals zwölf Jahre alt.

Da es zu dieser Zeit nur wenige Transplantations­zentren in Deutschland gab, die auch Kinder leber­transplantierten, kam für uns nur das Klinikum der Medizinischen Hoch­schule Hannover infrage – rund 500 Kilometer entfernt von meinem Heimat­ort bei Karlsruhe. Dort angekommen, wurden alle notwendigen Untersuchungen durch­geführt, und kurze Zeit später wurde ich auf die Warte­liste für eine Spender­leber gesetzt. Danach hieß es: zurück nach Hause und warten.

Völlig unerwartet kam schon wenige Wochen später der erlösende Anruf – es war eine passende Leber gefunden worden! Aufgrund der Entfernung wurden meine Mutter und ich zum Flug­hafen gebracht und mit einem kleinen Flugzeug inklusive medizinischem Personal nach Hannover geflogen. Die Transplantation verlief komplikations­los. Allerdings zeigte sich schon bald, dass meine Nieren­funktion durch die Leber­transplantation stärker beein­trächtigt worden war, als erwartet. Weil eine Dialyse kurz nach einer Leber­transplantation möglichst vermieden werden sollte und die Warte­zeiten auf eine neue Niere auch damals schon lang waren, entschloss sich meine Tante, mir eine ihrer Nieren zu spenden. Auch diese Operation verlief gut – meiner Tante geht es bis heute bestens.

Insgesamt verbrachte ich mit kurzen Unter­brechungen fast ein halbes Jahr in der Klinik in Hannover. Die Entfernung zu meiner Familie war dabei eine große Heraus­forderung. Mein Vater war ein Jahr zuvor verstorben, und meine Mutter musste sich allein um meine drei Geschwister kümmern. So konnte sie nicht immer bei mir sein. Zum Glück lebte meine Tante mit ihrer Familie in der Nähe der Klinik und besuchte mich regel­mäßig. Auch wenn ich viele Situationen früh allein meistern musste, hat mich das im Rück­blick stark gemacht: Ich lernte früh, Verantwortung für meine Gesund­heit zu übernehmen. Ich wusste, welche Medikamente ich wann ein­nehmen musste, wie ich mich in Arzt­gesprächen verhalte und was mein Körper leisten kann oder nicht. Ich war dafür verant­wortlich, dass es mir gut ging, und werde das auch mein rest­liches Leben bleiben.

Trotz der langen Kranken­hauszeit habe ich viele schöne Erinnerungen an diese Phase meines Lebens – an liebe­volle Pflegerinnen und Pfleger, die zu Vertrauens­personen wurden, an andere Kinder auf der Station, mit denen wir Pizza bestellten und gemeinsam lachten, und an Ärzt­innen und Ärzte, die stets ein offenes Ohr für mich hatten.

Nach der Transplantation konnte ich dann ein fast normales Leben führen. Ich musste ein Schul­jahr wieder­holen, was aber nur dazu führte, dass sich mein Freundes­kreis erweiterte. Ich machte mein Abitur, reiste nach Australien und begann eine Ausbildung.

Doch 2014 verschlechterte sich meine Nieren­funktion erneut. Eine Biopsie ergab, dass einige der Medikamente, die ich über viele Jahre einnahm, die Niere lang­fristig geschädigt hatten. Mein körperlicher Zustand verschlechterte sich zunehmend. Ich lagerte Wasser ein, meine Blut­werte waren schlecht und meine Leistungs­fähigkeit nahm deutlich ab.

2016 stand fest, dass erneut eine Nieren­transplantation nötig war. Da sich an den Warte­zeiten seit 2003 kaum etwas verändert hatte, erklärte sich diesmal meine Mutter bereit, mir eine ihrer Nieren zu spenden. Kurz vor der Transplantation war die Dialyse schließlich nicht mehr vermeidbar, und ich wurde noch für drei Monate dialyse­pflichtig. Dennoch konnte ich meine Ausbildung kurz vor der Transplantation noch erfolgreich abschließen.

Seitdem darf ich drei­mal im Jahr besonders dankbar sein: Einmal feiere ich mit meiner Tante, einmal mit meiner Mutter – und einmal denke ich an den Menschen, der mir mit seiner Leber das Leben gerettet hat.

Durch die Transplantationen habe ich ein neues Leben geschenkt bekommen: Ich konnte studieren, reisen, arbeiten, Freund­schaften pflegen und Zeit mit meiner Familie verbringen – all das wäre ohne die Organ­spenden nicht möglich gewesen. Schon während der Reha nach der zweiten Nieren­transplantation 2016 konnte ich mit leichtem Kraft­training beginnen, was meine Regeneration deutlich förderte. Ein Jahr später war sogar wieder Schwimmen im öffentlichen Bad möglich.

Sport war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe seit den Minis bis zur C-Jugend Hand­ball im Verein gespielt – auch nach meinen Transplantationen. Zudem war ich immer offen für andere Sport­arten. Ich habe ein Jahr Tennis im Verein gespielt, war mehrere Jahre im Karate und zum Ende meines Abiturs im Geräte­turnen aktiv. Im Zuge der Transplantation 2016 hatte ich entsprechend erhöhte Dosen an Cortison erhalten, was leider zu einer Hüft­kopfnekrose führte. Aufgrund der beweglichen Einschränkungen in der Hüfte und den damit verbundenen Schmerzen beim Laufen hatte ich aber das Schwimmen für mich entdeckt!

Sport motiviert mich, immer wieder weiter­zumachen und nie aufzugeben. Auch wenn es mal gesund­heitliche Einschränkungen und Rück­schläge gibt, kann man sich mit dem Sport wieder mehr Lebens­qualität erarbeiten. Zudem unterstützt es meine positive Lebens­einstellung, die ich für aus­schlaggebend für die Genesung erachte. Zudem gibt mir der Sport eine Möglichkeit, aktiv etwas für den positiven Transplantations­verlauf beizutragen. Das gibt mir wenigstens ein bisschen die Möglichkeit und das Gefühl ein Stück weit Kontrolle über meine gesundheitliche Situation zu gewinnen.

In meiner Jugend wollte ich möglichst viel Abstand zu dem Thema Transplantation und Krankheit gewinnen und ein „normales“ Leben führen. So hatte ich seit 2004 bis zu meiner zweiten Nieren­transplantation 2016 keinerlei Kontakt zu anderen organ­transplantierten Menschen. Das änderte sich aber durch die zweite Nieren­transplantation, da ich viel für mich selbst verarbeiten konnte, was ich zuvor all die Jahre verdrängt hatte. Nun wollte ich andere mit ähnlichen Geschichten kennenlernen und bin aktiv auf die Suche gegangen. 2017 bin ich dann auf den Verein TransDia e.V. gestoßen. Ein Sport­verein für Menschen an der Dialyse oder mit einer Organ­transplantation. Dort nahm ich dann auch das erste Mal bei der Deutschen Meister­schaft im Schwimmen teil.

Im Jahr 2019 erhielt ich aufgrund der Hüft­nekrose zwei künstliche Hüftgelenke, was mir neue sportliche Möglichkeiten eröffnete. Ich blieb dem Schwimmen treu und intensivierte mein Training. 2023 durfte ich schließlich mit dem Verein TransDia e.V. bei den World Transplant Games in Australien für Deutschland antreten – ein unvergess­liches Erlebnis. Seitdem nehme ich regelmäßig an nationalen und internationalen Meister­schaften teil. Es ist einfach immer ein schönes Gefühl, mit so vielen Menschen vereint zu sein, mit denen man ein gemeinsames Schicksal teilt. Besonders bewegend war die Teilnahme an den Weltmeister­schaften der Organ­transplantierten 2025 in Dresden, bei denen mich Familie und Freunde begleiteten – und ich mit meinem Team in der Schwimm­staffel die Bronze­medaille gewinnen durfte.

Als jemand, der selbst als Kind transplantiert wurde, weiß ich sehr gut, wie heraus­fordernd diese Zeit für junge Menschen und ihre Familien ist. Deshalb engagiere ich mich inzwischen auch beim Verein Kinder­hilfe Organ­transplantation (KiO). Die unkomplizierte Hilfe und die tollen Angebote haben mich begeistert – und wären auch für meine Familie damals eine große Unter­stützung gewesen. Heute leite ich dort die Jugend­gruppe KiO Youth – und freue mich, meine Erfahrungen weiter­geben zu können.

Die Organ­spende hat mir bisher ein wirklich sehr erfülltes Leben geschenkt. All die Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Gesundheit ein Geschenk ist, für das ich jeden Tag dankbar bin. Ich möchte meine Geschichte nutzen, um anderen Mut zu machen und zugleich zu zeigen, wie wichtig Organ­spende ist und diese Bedeutung auch in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.