Leben, Sport und Transplantation – Interview mit Franziska Liebhardt
Im Interview verriet uns Franziska Liebhardt, 3-fach transplantierte Paralympics-Siegerin, welche Herausforderungen nach den Transplantationen auf sie warteten und was ihr geholfen hat, diese zu überwinden – ein Beitrag für Betroffene, Angehörige und ihre Ärzte.
Franziska Liebhardt – Transplantationspatientin und Paralympics-Siegerin
Mit 23 erhielt sie die Diagnose einer schweren, systemischen Autoimmunerkrankung. Diese führte zu einer spastischen Lähmung und letztendlich sogar dazu, dass sie dreimal transplantiert werden musste – eine Lungentransplantation 2009, eine Nierentransplantation 2012 und eine erneute Lungentransplantation 2020.
Trotz pessimistischer ärztlicher Prognosen, und entgegen vieler Zweifel, kämpfte sie sich zurück ins Leben und konnte sogar im Laufe ihrer sportlichen Karriere außerordentliche Erfolge feiern: Erst Europa- und dann Vizeweltmeisterin im Kugelstoßen in den Jahren 2015 und 2016, Vizeweltmeisterin im Weitsprung 2015 sowie Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympischen Spielen 2016 im Kugelstoßen (inkl. damaligem Weltrekord) in ihrer Startklasse (halbseitig spastisch gelähmte Athleten, F37).1
2016 beendete die gebürtige Berlinerin ihre Karriere und arbeitet seitdem als Vortragsrednerin. Zudem engagiert sie sich als Vorstandsvorsitzende im Verein „Kinderhilfe Organtransplantation-Sportler für Organspende e.V.“2
Herausforderungen und Lösungswege nach der Organspende
Franziska erzählte, dass sie ein relativ normales Leben führe, jedoch hatte auch sie mit einigen Herausforderungen nach der Diagnose sowie den drei Transplantationen zu kämpfen. Hier kommen ihre wichtigsten Ratschläge an Menschen, die eine Organtransplantation hinter sich haben, sowie auch deren Angehörige und Freunde:
Organisation und Planung
Franziska berichtet, dass ein Großteil der Organisationsarbeit nach einer Transplantation bei den Patient*innen selbst liegt. Damit bei der Organisation von Medikamenten, Arztterminen und weiteren Aspekten der Nachsorge, wie z.B. Anpassung des Lebensstils wie etwa der Ernährung und der Infektionsprophylaxe, keine Fehler passieren, ist eine gut strukturierte Planung erforderlich. So erklärt sie beispielsweise, dass zum Therapiemanagement auch die tägliche Überprüfung und Dokumentation wichtiger Vitalparameter zähle. Für einen verbesserten Überblick trägt sie ihre Werte täglich in ein Patiententagebuch ein:
„Das Therapiemanagement umfasst auch die Führung eines Patiententagebuchs, um die wichtigsten Vitalwerte einmal täglich zu checken und zu dokumentieren. Das hilft, um bei Veränderungen vergleichen und bei Bedarf schnell reagieren zu können.“
Darüber hinaus organisiert sie Arztbesuche, Laborkontrollen, Termine zur Überwachung der Spenderorgane, aber auch zur Krebsvorsorge, zur Überwachung ihrer Grunderkrankung und zur Überwachung von Nebenwirkungen bzw. Langzeitfolgen der Medikamenteneinnahme.
Für ihre Spiegelmessungen nutzt sie einen SMS-Service, der ihr die aktuellen Messergebnisse sowie die aktuellen Zielspiegel per SMS zuschickt. Franziska setzt ebenfalls auf technische Unterstützung bei der Organisation von Rezepten und Medikamenten. Apps von ihrem Hausarzt und der Apotheke helfen ihr diese papierfrei zu organisieren. Zudem verweist Franziska auch auf Apps zur Motivation zur Bewegung und Sport.
Einnahme und Dosierung von Medikamenten
Die pünktliche Einnahme und Dosierung von Medikamenten, besonders der Immunsuppressiva, sind von hoher Bedeutung. Franziska organisiert ihre Tabletten zur Einnahme immer 14 Tage im Voraus, um frühzeitig zu erkennen, wenn Medikamente knapp werden. Zudem setzt sie auf einen Medikamentenwecker, um die pünktliche Einnahme nicht zu vergessen. Bei anstehenden Reisen informiere sie sich rechtzeitig vorab über Einfuhrgenehmigungen, Kliniken im Ausland und Versicherungen für einen eventuellen Rücktransport.
Wissen rund um das Thema Transplantation
Franziska ist über die Wirkweise und Nebenwirkungen ihrer Medikamente sowie ihre Grunderkrankung bestens informiert und empfiehlt das jedem, der selbst transplantiert ist. Zudem nutzt sie Tools wie z.B. dem Newsletter ihres Transplantationszentrums, in dem neue Studien, aktuell grassierende Infekte, Lieferengpässe bei Medikamenten oder andere interessante Themen wie z.B. Impfempfehlungen angegeben werden.
Veränderter Lebensstil
Franziska achtet auf eine keimarme und gesunde Ernährung sowie ein gesundes Körpergewicht. Außerdem bewegt sie sich täglich und macht mehrmals die Woche Sport. Auch auf ausreichenden Sonnenschutz sowie eine gute Hygienepraxis lege sie großen Wert. In Risikosituationen wie z. B. öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Arztbesuchen nutze sie einen Mundschutz, um das Risiko für eine Infektion zu reduzieren.
Psychische Belastungen
Wie viele Transplantationspatient*innen, litt auch Franziska unter den Belastungen nach einer Transplantation und den Herausforderungen einer chronischen Erkrankung. Eine gute psychologische Betreuung und das Wissen, einen festen Ansprechpartner zu haben, gaben ihr auch in schwierigen Situationen Sicherheit. Sie sagt dazu selbst: „Außerdem lasse ich mich regelmäßig auch psychotherapeutisch begleiten. Das hilft, mit den Belastungen nach einer Transplantation und den Herausforderungen einer chronischen Erkrankung gut umzugehen und sich auch in schwierigen Situationen nicht in Ängsten und Krisen zu verlieren.“Eine psychologische Betreuung sollte laut Franziska fest zur Nachsorge bei jedem Patienten/jeder Patientin dazu gehören. Diese Rolle solle dabei nicht von Familie oder Freunden übernommen werden, da sie häufig selbst betroffen seien. Psychotherapeuten dagegen bieten einen neuen, neutralen Blickwinkel auf die Situation könnten so wesentlich effektiver weiterhelfen. Zudem tausche sie sich in Selbsthilfegruppen mit anderen Betroffenen aus und erhalte so wertvolle Tipps.
Woran sich Betroffene häufiger erinnern sollten
Was Franziska Patient*innen auf den Weg geben möchte: „Eine Transplantation lässt man machen, um danach eine bessere Lebensqualität zu haben als vorher. Deshalb: verstecken Sie sich nicht zuhause! Bewegen Sie sich regelmäßig und stellen Sie die neuen Grenzen Ihres Körpers fest. Genießen Sie das neue Leben ohne zu große Ängste. Orientieren Sie sich dabei auch an anderen Patient*innen, die schon länger transplantiert sind.“
Was Ärzt*innen nicht vergessen dürfen
Franziska hat insgesamt gute Erfahrungen mit ihren behandelnden Ärzt*innen gemacht, merkt aber an, dass sie sich wünscht, als Patientin ganzheitlich betrachtet zu werden.
„Ich stehe in engem und vertrauensvollem Austausch mit meinen betreuenden Ärzt*innen. Wir besprechen gemeinsam nächste Therapieschritte, ggf. notwendige Untersuchungen und Empfehlungen. Ich habe als Patientin das Gefühl, mitentscheiden zu können und ernstgenommen zu werden. Das halte ich auch für sehr wichtig. Was aber sicher noch verbesserungswürdig ist, als Patient*in mehr ganzheitlich betrachtet zu werden und nicht nur als Lunge oder Niere.“
Als sie mit Anfang 20 die Diagnose erhielt und damit ihre gesamte weitere Lebensplanung in Frage gestellt wurde, haben ihre Ärzt*innen auf die Heilung der erkrankten Organe geachtet, aus der emotionalen Krise, hat es Franziska alleine rausschaffen müssen – was nicht jedem Patienten/jeder Patientin möglich sei.
Womit sich alle auseinandersetzen sollten
Franziska wünscht sich eine neue Organspendekultur in Deutschland – hierzu zähle unter anderem die Widerspruchslösung sowie eine Kultur des Dankes für die Spender*innen und ihre Familien. Diskussionen rund zum Thema Organspende müssen selbstverständlicher werden, und es müsse deutlich gemacht werden, dass jeder und jede betroffen sein kann. „Es geht um eure Eltern, Geschwister, Freund*innen, Nachbar*innen. Wer das verstanden hat, versteht auch die Wichtigkeit einer Entscheidung.“
- Team Deutschland Paralympics, Atheleten, Franziska Liebhardt. URL: https://www.teamdeutschland-paralympics.de/news/details/franziska-liebhardt-stoesst-die-kugel-zu-gold (zuletzt aufgerufen: 24.07.2024).
- Franziska Liebhardt, Über mich. URL: https://franziska-liebhardt.jimdo.com/über-mich/ (zuletzt aufgerufen: 19.09.2023).
- Bildquelle: IMAGO / Beautiful Sports. URL: https://www.imago-images.de/sp/0025424180 (zuletzt abgerufen 23.01.2024).
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Referenzen
Online: www.organspende-info.de/organspende/transplantierbare-organe/nierentransplantation.html (Zuletzt aufgerufen am 17.04.2024) Lutz J & Heemann U. Internist 2002;43:1559–1565 Kashani K et al. Eur J Intern Med 2020;72:9–14 Ben-Ari Z…
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