Wieder auf der Agenda: die Widerspruchslösung

Bereits 2019/2020 wurde in Politik und Gesellschaft viel darüber diskutiert, nun wird sich die Bundesregierung und der Bundestag aufgrund eines Antrags des Bundesrates vom Dezember erneut mit dem Thema befassen: die Einführung der Widerspruchslösung für Organspenden in Deutschland.1
Warum wird die gesetzliche Regelung der Organspende immer wieder diskutiert? In Deutschland stehen mehr als 8.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Demgegenüber steht eine Zahl von nur 2.662 postmortalen gespendeten Organen im Jahr 2022. Im europäischen Vergleich gibt es in Deutschland damit nur wenige Organspenden.2 Zwar haben laut einer repräsentativen Studie 84 % der Deutschen eine positive Einstellung gegenüber der Organspende, jedoch haben nur ca. 40 % von ihnen dies auch in einem Organspendeausweis dokumentiert.3 Somit steht immer noch bei zu vielen Menschen die niedergeschriebene Entscheidung für oder gegen eine Organspende aus.
In Deutschland ist die Organspende aktuell durch die sogenannte Entscheidungslösung geregelt. Das heißt, Ihre Organe und Gewebe dürfen im Todesfall nur dann entnommen werden, wenn Sie zu Lebzeiten Ihre Zustimmung erteilt haben. Liegt von Ihnen keine dokumentierte Entscheidung vor, müssen Ihre Angehörigen die Entscheidung treffen. Die Entscheidungsfindung eines*einer jeden Einzelnen soll laut Gesetz durch die regelmäßige Bereitstellung von neutralen und ergebnisoffenen Informationen unterstützt werden.4
In den meisten Ländern Europas, darunter Spanien, Frankreich, Italien und England, gilt hingegen bereits seit Jahren die Widerspruchslösung. Bei dieser Regelung können grundsätzlich jeder verstorbenen Person Organe entnommen werden, es sei denn, zu Lebzeiten wurde ein ausdrücklicher Widerspruch dokumentiert. Dieser Wunsch kann beispielsweise in einem Widerspruchsregister festgehalten werden. Auch Angehörige des*der Verstorbenen können einer Organentnahme widersprechen. Somit bleibt auch bei der Widerspruchslösung die individuelle Entscheidungsfreiheit bestehen. Gleichzeitig zeigen die Zahlen aus anderen europäischen Ländern, dass die Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führt und mehr Menschen durch eine Transplantation die Chance auf ein zweites Leben erhalten.4 Jede*r Einzelne von uns kann dabei helfen, auf die Wichtigkeit der Entscheidung zur Organspende hinzuweisen. Denn nur keine Entscheidung ist eine schlechte Entscheidung.
- aerzteblatt.de. Bundesrat spricht sich für Widerspruchslösung bei Organspende aus. 2023. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/148103/Bundesrat-spricht-sich-fuer-Widerspruchsloesung-bei-Organspende-aus, abgerufen am: 02.01.2024
- BZgA. Statistiken zur Organspende für Deutschland und Europa. 2023. https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/, abgerufen am: 02.01.2024
- BZgA. Wissen, Einstellung und Verhalten zur Organ- und Gewebespende 2023. https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/einstellungen-und-wissen/, abgerufen am: 02.01.2024
- BZgA. Die Entscheidungslösung in Deutschland und gesetzliche Regelungen in anderen europäischen Ländern. 2023. https://www.organspende-info.de/gesetzliche-grundlagen/entscheidungsloesung/, abgerufen am: 02.01.2024
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